Dass einige Leute mit BitCoin reich geworden sind, ist bekannt. Nun hat gestern auf einem Japanisch-Stammtisch der organisierende Japanischlehrer einen Vertriebler für OneCoin zu Gast gehabt, eine angeblich viel bessere und zukunftsträchtige Kryptowährung.

An dem Abend sahen wir auf einem Tablet einen Schnelldurchgang durch eine Präsentation, die nach Angabe des Referenten nicht die aktuelle war. Auf die angekündigte Mail mit der aktuellen Präsentation warte ich allerdings noch.

Aus meiner Erinnerung gab es folgende Eckpunkte:

  • OneCoin ist eine Kryptowährung, die einige Schwächen der BitCoin nicht haben soll und derzeit noch nicht handelbar ist.
  • Gründerin der OneCoin-Unternehmung ist “das Genie” Dr. Ruja Ignatova, Doktorin der Rechtswissenschaften in Konstanz und Master-Absolventin in Oxford, ehemalige McKinsey-Beraterin in Bulgarien. Sie hat angeblich BitCoin beobachtet und die Vor- und Nachteile gesehen, und daraus eine bessere Alternative gebaut.
  • die Organisation besteht aus der OneCoin Ltd. auf Gibraltar, einem Rechenzentrum in Bulgarien (und angeblich zwei weiteren in Europa und Asien), und einer Partnerbank in Georgien, die die Mastercard herausgibt.
  • MasterCard als Partner wird in Zukunft eine Kreditkarte gegen das OneCoin-Konto bereitstellen, so dass man mit OneCoin zum Tageskurs an allen MasterCard-Akzeptanzstellen zahlen kann.
  • Derzeit läuft ein Strukturvertrieb für OneCoin, der den Kauf von Tokens, also Schürfleistung, zum Gegenstand hat. Offiziell werden Schulungsunterlagen verkauft, wie sich das für einen ordentlichen Strukturvertrieb gehört, und die Token sind eine Zugabe obendrauf. So umgeht man etwaige Regularien für Finanzvermittler, die bei Anlageprodukten oder Unternehmensbeteiligungen greifen würden. Das Mining der Coins erfolgt auf zentralen Servern von OneCoin, so dass keine eigene IT-Fähigkeiten bei den Nutzern erforderlich sind (wobei die Coins dann zwar angeblich mir gehören, aber ich sie nicht in ein Wallet herunterladen sondern nur über ein Konto auf dem OneCoin-Server darüber verfügen kann). Gesteuert wird das ganze über ein Dashboard auf der OneCoin-Website. Im Lauf der Zeit steigt die Schwierigkeit, weitere Coins zu erzeugen, und daher nimmt der “Ertrag” von Coins pro Token stetig ab. Andererseits verdoppeln sich die noch nicht aktivierten Schürfrechte ein oder mehrmals (“Split”) im Zeitablauf, so dass man durch Warten auf die Splits mehr Schürfleistung bekommt als wenn man sofort mit dem Mining anfangen würde - wie das im Verhältnis zum sinkenden Ertrag steht, und ob es sich daher unterm Strich lohnt, die Splits abzuwarten, oder ob man die Splits sogar abwarten muss, bevor man loslegen darf, wurde mir nicht klar.
  • es gibt ein mehrstufiges Provisionsmodell, das, wenn ichs richtig in Erinnerung habe, 10+10+25+20 Prozent des Einsatzes an die Werberhierarchie ausschüttet (normalerweise ist mal ja mit zunehmender Distanz sinkende Provisionen gewohnt, hier ist es erstmal umgekehrt). Sofern diese Erinnerung stimmt, sind 65% meines Einsatzes Vertriebskosten, es ist also stark eine Umverteilungsmaschine innerhalb der Vertriebskette, wie man es von Schneeballsystemen kennt. Die anderen 35% bekommt OneCoin Ltd und kauft dafür mehr Computer in die Schürffarm oder Frau Ignatova macht sich ein schönes Leben.
  • es ist wohl normal und gewünscht, dass man selber mehrere Accounts anlegt, und sich damit selber wirbt, um gleich mehrere Stufen der Provision abzugreifen. Immerhin muss man dafür auch mehrere Pakete kaufen, und man treibt die “Kundenzahl” von derzeit abgeblich 1,8 Millionen weiter in die Höhe.
  • Die Coins kann man bisher nur an andere Nutzer intern überweisen, aber noch nicht zu Geld machen. Wer also heute schon Geld abzieht, tut dies aus den Provisionen für die nächsten “Opfer” und nicht aus dem Verkauf der geschürften OneCoins.
  • Wenn genug Coins geschaffen sind, soll das ganze dann public gehen, auf Plattformen für Kryptocoins handelbar und als Zahlungsmittel verwendbar sein. Je nach Quelle, die ich im Internet gefunden habe, sollte das bei 50%-80% geschürften Coins aus dem Gesamtpool von 2,1 Milliarden maximal möglichen Coins passieren, ich glaube gestern abend war von 65% die Rede. Derzeit ist man wohl bei gut 30% und die “Schürfschwierigkeit” ist bei 57 oder so, wo sie anfangs bei 4 war. Bei weiter steigender Schwierigkeit müssen also noch viele Leute viele Tokenpakete kaufen, bevor das ganze dann abhebt. Eine Kurve, wie sich die Schwierigkeit entwickelt, bis die Zielquote erreicht wird, ist sicher in der Präsentation, mal sehen.
  • Angeblich kann man heute schon einen Kurs für OneCoins sehen, für wen dieser Kurs nutzbar ist, bleibt aber offen. Hierzu wird die Website www.xcoinx.com genannt, und Screenshots dieser Seite sollen die Werthaltigkeit der OneCoins verdeutlichen.

Soweit die Aussagen, die ich in Erinnerung habe. Auf die Präsentation warte ich noch. Die Zeit bis dahin habe ich mir vertrieben, mal im Web ein wenig zu recherchieren, natürlich sind viele von den Hunderttausenden “Vertrieblern” auch auf die Idee gekommen, im Internet für diese tolle Geldanlage zu werben, entsprechend viele Webseiten, Blogs und Youtuber loben OneCoin in den höchsten Tönen und wiederholen die Marketingsversprechungen. Aber daneben gibt es auch kritischere Beiträge.

Einen Einstieg bietet ef-magazin. Die Einstufung als “Pseudo-Kryptowährung” begründet sich darin, dass OneCoin derzeit nicht handelbar oder exportierbar sind. Auch die Offenlegung des Codes, die eine unabhängige Überprüfung der Algorithmen durch Dritte ermöglichen würde, ist nur angekündigt.

Angenommen, es würden in Wirklichkeit garkeine Coins “geminet” sondern nur im OneCoin-Dashboard Zähler hochgezählt, ohne dass irgendwas dahinterstünde, so wäre das für niemanden außerhalb der OneCoin-Organisation erkennbar. Und mit einer rechtlichen Handhabe gegen den Betrug sähe es dann auch dünn aus, offiziell zahlt man ja den Preis für Schulungsunterlagen, diese hat man erhalten, wenn aus den Tokens keine Reichtümer werden, dann ist das einfach nur Pech, aber OneCoin verletzt dadurch keine Vertragspflichten.

Man muss also der Organisation mit ihrer Frontfrau Dr. Ruja Ignatova voll und ganz vertrauen. Zwei Doktortitel aus Konstanz, Deutschland, und Oxford, UK, und eine vorhergehende McKinsey-Karriere (wie lange war sie da eigentlich?) sollen Eindruck machen.

Weniger eindrucksvoll sind aber bisherige Geschäfte der Dame:

  • Aufkauf eines insolventen Gusswerks in Waltenhofen, Allgäu, vorgebliche Sanierung, Bereicherung und Anfang 2012 betrügerischer Bankrott, nebst Versuch, wertvolle Maschinen nach Bulgarien zu verfrachten: http://netkey40.igmetall.de/homepages/kempten/jahresbersicht/2012/aktuelles2012/gusswerkwaltenhofen.html
  • Loopium, wo sie Investorengeld eingesammelt, Pleite gemacht und einen Geschäftspartner auf hohen Kosten hat sitzen lassen: https://www.flashback.org/t2546019p172
  • Das angebliche Forbes-Cover ist wohl gestellt, und existiert nur auf einer OneCoin-Sonderedition mit einem Artikel über sie, es gab nie ein reguläres Heft mit ihr auf dem Titelblatt, wie man aufgrund der OneCoin-Marketingslides annehmen könnte.
  • Andere Personen im (ehemaligen) Führungsteam haben auch Dreck am Stecken, siehe “the Blacklist” in einem Kommentar unter http://pjarvinen.blogspot.de/2015/05/onecoinin-keulahahmo-ruja-ignatova.html

Die Vertriebler verkaufen einen Split (Verdoppelung der Token nach Wartezeit) als Verdoppelung der erzeugten Coins. Dabei übersehen sie aber, dass die Schwierigkeit im Mining ständig ansteigt. Angenommen, ich bekomme heute 5000 Token, und könnte diese bei Schwierigkeit 60 ins Rennen schicken, aber mir wird geraten dass ich drei Splits abwarten soll. Danach, in vielleicht 6 oder 8 Monaten, habe ich zwar 40000 Token, aber wenn die Schwierigkeit bis dahin 300 ist, bekomme ich damit nicht achtmal so viele Coins sondern nur 8/5 = 1,6mal so viele Coins. Wenn die Schwierigkeit 1000 ist, sogar weniger.

Ein Bericht des Mirror über eine reißerische Werbeveranstaltung in London findet die Versprechen recht abenteuerlich und unplausibel.

Und wenn jemand eine Cryptowährung erschaffen will, warum sollte er mir raten, erstmal nicht zu minen, sondern zu warten? Nein, dann würde er doch ein Interesse dran haben, dass möglichst viel gerechnet wird, und damit möglichst bald der Punkt erreicht ist, public zu gehen und das Ding ans Laufen zu bekommen. Wenn er aber vorhat, mich übers Ohr zu hauen, dann ist eine Hinhaltetaktik sinnvoller, damit ich ihm noch möglichst viel Geld, eigenes oder das von weiteren geworbenen Opfern, zuführe, bevor er den Laden dichtmacht und mit dem Geldkoffer verschwindet.

Ist es überhaupt nachvollziehbar, dass man erst nach dem Minen von ziemlich vielen Coins public gehen will? Angeblich, um den Kurs zu stabilisieren. Aber der Kurs ergibt sich ja aus Angebot und Nachfrage für ein begrenztes Gut, und begrenzt ist es zunächst auf die schon erzeugten Coins, nicht auf die theoretisch erzeugbaren. Am Anfang muss ich aber damit rechnen, dass sich die Nachfrage erst mit entsprechender Werbung einstellt, die dem Angebot=Coinbestand gegenübersteht. Wenn ich also mit 1,5 Milliarden Coins loslege, die womöglich erstmal garnicht alle jemand haben will, riskiere ich eher einen Kursverfall als wenn ich mit weniger starte. Also wäre es doch eigentlich logischer, frühzeitig in die Öffentlichkeit zu gehen, offenzulegen was man (angeblich) eh vorhat offenzulegen und damit außerdem frühzeitig Vertrauen zu schaffen.

Woraus bestimmt sich der Wert? OneCoin verweist dazu auf die Website www.xcoinx.com, auf der man bereits einen Kurs für die künftige Währung sehen kann. Und eine eindrucksvolle Kapitalisierung, die an zweiter Stelle nach BitCoin steht - aber natürlich Schall und Rauch ist, denn OneCoins werden nicht gehandelt.

Aber wer steckt überhaupt hinter dieser angeblichen Handelsplattform?

Der Eigentümer (whois) für xcoinx.com ist verschleiert durch einen Anonymisierungsdienst, sowas macht kein seriöses Unternehmen:

Domain Name: XCOINX.COM
Registry Domain ID: 1865092590_DOMAIN_COM-VRSN
Registrar WHOIS Server: whois.enom.com
Registrar URL: www.enom.com
Updated Date: 2015-04-02T07:49:41.00Z
Creation Date: 2014-07-01T18:14:00.00Z
Registrar Registration Expiration Date: 2016-07-01T18:14:00.00Z
Registrar: ENOM, INC.
Registrar IANA ID: 48
Reseller: NAMECHEAP.COM
Domain Status: clientTransferProhibited https://www.icann.org/epp#clientTransferProhibited
Registry Registrant ID:
Registrant Name: WHOISGUARD PROTECTED
Registrant Organization: WHOISGUARD, INC.
Registrant Street: P.O. BOX 0823-03411
Registrant City: PANAMA
Registrant State/Province: PANAMA
Registrant Postal Code: 00000
Registrant Country: PA
Registrant Phone: +507.8365503
Registrant Phone Ext:
Registrant Fax: +51.17057182
Registrant Fax Ext:
Registrant Email: A592D148C24A47A9B1CCE0E6C97550B6.PROTECT@WHOISGUARD.COM

Auf dieser Website steht zwar “BUY BITCOINS FOR USD & EUR” aber es gibt keine Links zu irgendwelchen derartigen Funktionen, eben nur dafür gebaut, dass man eine vorgeblich unabhängige Handelsplattform, die OneCoin listet, in Screenshots ablichten kann und damit einen Preis dieser Luftnummer bekommt.

Wenn man https://www.xcoinx.com/ eingibt, zeigt sich, dass es nicht mal ein gültiges Zertifikat gibt, das Zertifikat lautet auf “*.web-hosting.com”, sie haben sich also nicht einmal die Mühe gemacht, SSL ordentlich aufzusetzen. Eine seriöse Handelsplattform hätte dagegen ein EV Zertifikat, das nicht nur die Domain bestätigt, sondern auch den Namen der Organisation mitliefert, wie man es vom Onlinebanking kennt, und würde automatisch von http auf das verschlüsselte https umleiten.

Angenommen, das Mining passiert wirklich, ist dann jetzt ein guter Zeitpunkt zum Einstieg, zum Nachholen der Chancen denen man bei Bitcoin wehmütig nachtrauert? Nein, ich denke auch hier sind die “fetten Monate” längst vorbei. Angeblich ist das OneCoin-Mining 2014 gestartet, also vor zwei Jahren, und soll Ende dieses Jahres dann soweit sein, dass man public gehen kann. Vermutlich dauert es noch länger, denn das “leichte” Drittel Coins ist schon gerechnet, das nächste Drittel wird viel schwerer, und in der kurzen verbleibenden Zeit nur zu schaffen sein, wenn sich der Zustrom an frischem Geld weiter verbreitert (und mit dem eingezahlten Geld auch wirklich Rechenkapazitäten zum Mining gekauft werden!), und das letzte Drittel lässt man dann sein, weil der Rechenaufwand zu groß ist.

Auf der sicheren Seite bin ich, wenn ich mich an das halte, was mir offiziell verkauft wird: ein Trainingspaket für mehrere Hundert bis über 10000 EUR. Und die Chance, an dem Verkauf des selben an weitere Benutzer Provisionen zu verdienen. Über den Inhalt der Schulungen ist in der Werbepräsentation leider nichts verzeichnet - darin dreht sich alles um die lukrativen Provisionen für Empfehlungen und die großartige zu erwartende Kursentwicklung der OneCoin - unterstützt durch die steigende Kursanzeige auf der Fake-Webseite xcoinx.com, denn anderswo gibt es keine Zahl. Will ich mich daran beteiligen, andere übers Ohr zu hauen? Nein, dazu ist mir mein Ruf zu schade.

Fazit: das ist nichts für mich.