Vorhin habe ich einen Bericht in BR24 gelesen: Zu schwache Infrastruktur: Solarstrom verpufft im Nirvana vom 26.08.22. Dieser zeigt, dass die Energiewende nicht nur an fehlenden HGÜ-Trassen (dank Seehofers Verbuddeln-Schnapsidee, die die Trassen nicht nur um etwa Faktor 5 verteuert sondern auch um fast ein Jahrzehnt verzögert hat), sondern auch an den Verteilnetzbetreibern scheitert. Insofern bin ich über die Aufmerksamkeit für das Thema dankbar.

Ich habe dazu dennoch einen kritischen Leserbrief geschrieben, weil einerseits technische Fehler mich geradezu anschreien, andererseits die Argumentation von N-ergie unkritisch übernommen wurde, obwohl sie im klaren Widerspruch zur zitierten Aussage der Bundesnetzagentur steht:

Sehr geehrte Frau Schmidt und Redaktion,

lassen Sie doch bitte einen Artikel über Technik von jemandem gegenlesen, der/die sich an den Physikunterricht in der Schule erinnern kann! Schon im ersten Absatz und dann noch mehrmals ist von “Kilowatt pro Stunde” als Leistung die Rede. Leistung wird in (Kilo-, Mega-, Giga-, Tera-)Watt gemessen! Leistung pro Zeit ist eine eher exotische Größe und wird vielleicht im Kraftwerksbereich für die Schnelligkeit des Hoch- und Runterfahrens, also für das Regeln, benutzt.

Das von N-ergie behauptete “Dilemma für alle” kommt erst ins Spiel, wenn plötzlich neue Konzepte wie Energiespeicher in die Argumentation aufgenommen werden. Wenn Herr Husemann einen Industriebetrieb hätte und einen Anschluss von 170kW als Verbraucher beauftragen würde, dann würde N-ergie doch auch nicht sagen “wir wissen nicht, wie wir einen solchen Anschluss realisieren können” sondern es wäre klar, ob und welcher Trafo dazugebaut werden muss und wie dick die Leitungen davor und dahinter sein müssen, und wie das ganze ans Netz gehängt wird. Und ich glaube das würde auch keine zwei bis drei Jahre dauern, oder? Nun ist es dem Strom aber doch egal, wo die Quelle und wo die Senke ist, die Leitungen können ihn in beide Richtungen transportieren. Was hindert also N-ergie, einfach dem Schema zu folgen und genau das hinzubauen? Stattdessen wird spekuliert über die mögliche Verpflichtung des PV-Betreibers, Speicher (bitte nicht Speicherquellen, was soll denn bitte eine Speicherquelle sein? Die Fabrik, in der Speicher produziert werden - das würde dem Wortsinn entsprechen, kann aber nicht gemeint sein?) dazuzubauen, damit N-ergie sich den gebotenen Netzausbau sparen kann. Hat denn N-ergie im ganzen Netz einen PV-Produktionsüberhang, also tagsüber mehr Solarstrom als Stromverbrauch? Das kann ich mir nicht vorstellen, weil die Stadt Nürnberg, wenn nicht schon das nähere Ansbach, ja sicher einen Haufen Strom verbraucht, auch tagsüber! Solange es zeitgleiche Abnehmer für den Strom gibt, sind Speicher kein Thema, sondern der Strom muss erstmal zu den Verbrauchern transportiert werden, die ihn zeitgleich brauchen können! Das ist genau der Ausbau des Verteilnetzes, den die Bundesnetzagentur zurecht (wie von Ihnen zitiert) fordert und Speicher als alternative Lösung verwirft, und es ist die Verantwortung des Versorgungsunternehmens, und darf nicht auf die Verbraucher oder Produzenten abgeschoben werden! Was sagt denn Ihr N-ergie Interviewpartner dazu?

Mit freundlichen Grüßen

Karl Ewald

Im Nachgang zu meinem Kommentar gestern habe ich noch ein wenig recherchiert. Bayern betreibt den Energie-Atlas und darin ist die PV-Anlage von Herrn Husemann auch zu finden: Energie-Atlas Bayern: Aurach Aurach ist ein PV-Musterdorf, und die Anlage von Herrn Husemann mit 170kWp (das p ist hier kein Einheitenzeichen, sondern steht für “peak” also die angegebene Maximalleistung) ist bei weitem nicht die älteste oder größte, wie man sieht. Aber das 20kV-Mittelspannungsnetz, das Aurach und Herrieden durchzieht, ist als “ziemlich voll” eingefärbt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Energiealtas ist zu den PV-Anlagen jeweils eine “Netzeinspeisung” Energiemenge für 2020 ausgewiesen. Ein Beispiel (hier kann man kein Bild als Anhang hochladen, ich habe es daher auf meinen Webserver gestellt: https://www.karlewald.de/pic-tmp/Energieatlas-aurach-2022-08-30T15-47-05.png )

Wie aktuelle Medienberichte (z.B. https://www.br.de/nachrichten/bayern/zu-schwache-infrastruktur-solarstrom-verpufft-im-nirvana,TFbeUGr ) zeigen, wird ein nicht unerheblicher Teil der erzeugten Energie durch vom Verteilnetzbetreiber, hier N-ergie, veranlasste Abregelung verworfen. Ist dieser Anteil in der hier gezeigten Zahl enthalten? Ich halte es für ein Gebot der Transparenz gerade auf einem vom Freistaat Bayern betriebenen Informationsdienst, die tatsächlich eingespeisten und verworfenen Energiemengen aufgeschlüsselt darzustellen, damit die Leistung oder Schlechtleistung des Netzbetreibers sichtbar wird.

Mit freundlichen Grüßen
Karl Ewald

Angesichts der Tatsache, dass die in den Medien besprochene Anlage seit Ende 2009 in Betrieb ist, und auch zahlreiche andere Anlagen in Aurach und den Nachbargemeinden schon viele Jahre am Netz sind, leuchtet mir nicht ein, dass N-ergie nicht in der Lage war, die Schwachstellen im Netz an diesem Ort zu beseitigen. Zwischen dem “vollen” 20kV-Netz in Aurach und Herrieden und dem “aufnahmefähigen” 20kV-Netz sowie der 110kV-Freileitung bei Elpersdorf, alles der N-ergie gehörend, liegen keine 2km Entfernung! (Dabei übersehe ich allerdings wohl, dass das 20kV-Netz keine “Wolke” ist, sondern ein Stern einzelner Leitungen, die jede eine Kapazitätsgrenze hat.) Wobei selbst in Leutershausen etwas nördlich grüne und orange 20kV-Leitungen sich kreuzen, es scheint also wirklich nicht so einfach zu sein, die Last im Mittelspannungsnetz zu balancieren.

Zentralpunkt des Netzes, das Aurach erschließt, scheint ein Umspannwerk am südwestlichen Ortsrand von Herrieden zu sein. Allerdings habe ich auch die Hochspannungsnetze eingeblendet, und die Versorgung, als IT-ler würde ich sagen “der Uplink”, dieses Umspannwerkes ist nicht ersichtlich, es gehen nur viele 20kV-Leitungen weg aber es führt nichts “fetteres” hin. Die Datenqualität scheint also nicht so toll zu sein. Oder mache ich was falsch? Also gleich nochmal:

Sehr geehrte Damen und Herren,

bei der Verfolgung der Leitungen ist mir eine Inkonsistenz aufgefallen: https://www.karten.energieatlas.bayern.de/start/?lang=de&topic=energie_gesamt&bgLayer=luftbild_labels&E=607684.30&N=5454873.35&zoom=14&layers=dfaa7dd6-e56c-42c8-ba45-478571cedf6d,e496f9b8-77fd-4014-a626-29a9364b36b3,7bbee3ee-89f6-4a2e-ad96-ec1264420814,12b4c5de-1f52-47a8-9d3d-edfc0fdc105b,102148ce-2a72-4cdf-bb98-533702b7ea56,b87856df-c52d-4f21-8ea8-6c18e599792c,ae7c6b2e-4a2e-48c9-a7fe-5a48e1ed8869,2ae49a7c-2722-4ff9-9c6b-dcb9d2ce58ab,f385a4ce-fd5b-4410-aede-74ed3f5e347e,117f13fd-e8dd-4289-993f-6579d3fa223b,64e8016d-0b04-4c08-a88e-c68541042e1e,f3c97660-ca7f-46ba-8c43-8e043b64f459&catalogNodes=1200,1210,1800,1820,14,1100,1810,1900,1930,1980,1990 ich habe Hoch- und Mittelspannung eingeblendet, aber für das Umspannwerk Herrieden sehe ich nur acht 20kV-Leitungen aber keinen Anschluss “nach oben”, und es ist zwar mit dem Symbol Elektroblitz gekennzeichnet aber nicht erläutert. Habe ich eine Kartenebene vergessen einzublenden? Welche? Die 110kV-Freileitung südlich Elpersdorf wird mir angezeigt.

Im voraus vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Karl Ewald

Update: am 06.09. erreichten mich zwei Antworten vom Energie-Atlas Bayern-Team auf meine beiden Fragen:

zu dem o.g. zweiten, “Bedienungsfehler oder Datenqualität?”:

vielen Dank für Ihr Interesse am Energie-Atlas Bayern (EAB) und für Ihre Anfrage.

Das Landesamt für Umwelt und das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung betreiben zwar den Energie-Atlas Bayern (EAB), wir sind jedoch nicht für den Betrieb und die Darstellung der in den EAB eingebundenen WMS-Dienste der verschiedenen Dienstanbieter verantwortlich. Da es sich in dem von Ihnen genannten Fall um Stromleitungen im Bereich des Netzanbieters N-ERGIE Netz GmbH handelt, stellen Sie die konkrete Anfrage bitte an den dortigen Ansprechpartner. Die Kontaktdaten eines Dienstanbieters finden Sie wie folgt heraus:

  • Unter „Meine Kartenauswahl“ beim gewünschten WMS-Dienst (wäre in Ihrem Fall: Datensatz Freie Netzkapazitäten 20kV (N-ERGIE Netz GmbH)) das Zahnrad-Icon am Ende der Zeile klicken (unterhalb des Zahnrad-Icons erscheint ein kleiner i-button).
  • Anschließend auf den i-Button klicken - hier finden Sie unter „Ansprechpartner“ Name und Kontaktmöglichkeiten des Ansprechpartners (wäre in Ihrem Fall: Hr. Stefan Geist von der N-ERGIE Netz GmbH, E-Mailadresse wie angegeben).

Das in der Karte befindliche Blitz-Zeichen stammt nicht von einem der von Ihnen aktivierten WMS-Dienste, sondern ist Bestandteil der ausgewählten Hintergrundkarte (in diesem Fall die sogenannte „Webkarte“ der Bayerischen Vermessungsverwaltung). Es symbolisiert ein Umspannwerk. Unserer Einschätzung nach ist gemäß der von der N-ERGIE Netz GmbH herausgegebenen Darstellung im näheren Bereich des Umspannwerkes Herrieden scheinbar keine Hochspannungsleitung vorhanden. Die nächsten Hochspannungsleitungen verlaufen im Norden von Herrieden (wie von Ihnen beschrieben südl. von Elpersdorf), im Osten von Herrieden (Bereich Burgoberbach) sowie im Süden von Herrieden (nördl. von Sachsbach und Deffersdorf).

Wir hoffen Ihnen hiermit weiterhelfen zu können.

zur ersten “Netzeinspeisung und Nichteinspeisung”:

die Daten zur Netzeinspeisung der Anlagen entnehmen wir vornehmlich der Jahresabrechnung der Übertragungsnetzbetreiber. Unsere Datenquellen finden Sie, wenn sie jeweils neben der ausgewählten Layer das “i”-Symbol anklicken und in der sich öffnenden Infobox den Reiter “Detailinfo” auswählen. Es ist daher eigentlich davon auszugehen, dass die Daten der Wirklichkeit entsprechen. Sollten Sie detaillierte Informationen benötigen können Sie gerne nächste Woche nochmal mit uns in Kontakt treten. Derzeit können wir die Frage aus personellen Gründen nicht ausführlicher beantworten.

dieses freundliche Angebot habe ich bisher nicht aufgegriffen.

Vom BR habe ich keine Antwort auf meine Mail erhalten. Ich sehe aber gerade, dass der verlinkte Artikel jetzt mit 02.09.2022, 13:24 Uhr datiert ist (ich hatte keine Kopie abgespeichert) und das “pro Stunde” herausgenommen wurde. Aber die “Speicherquellen” haben Bestand. Und warum bis Ende 2022 dazugekommene Anlagen noch “zwei bis drei Jahre” mit Abschaltungen leben müssen, aber der besprochene Stromproduzent auch nach zwölf Jahren an einer zu dünnen Leitung hängt, dieser Widerspruch wird wohl beim BR zu den Akten gelegt.