Ich arbeite ja seit Mitte 2006 freiberuflich als IT-Security-Berater. Seit November 2014 habe ich quartalsweise Aufträge für eine Firewall-Migration beim IT-Outsourcing-Jointventure einer italienisch-süddeutschen Großbank, mein derzeitiger Hauptkunde, seit diesem November außerdem einen Teilzeitauftrag bei einem IT-Unternehmen im Umfeld von Forschungseinrichtungen.

Meine Aufträge laufen branchenüblich über IT-Dienstleistungsunternehmen, die aufgrund einer Kundenanfrage unter den Freiberuflern jemand zum Projekt passenden finden und diesen (also z.B. mich) dann wiederum beauftragen und im eigenen Namen an den Kunden weiterverkaufen. Ich finde das eine sehr sinnvolle Symbiose. Der Endkunde hat keine Zeit, Lust und/oder Fähigkeit, selber einzelne Spezialisten ausfindig zu machen, größere Unternehmen haben auch einen ziemlichen Overhead, einen neuen Lieferanten in ihren Finanzsystemen anzulegen, bestehen auf individuelle Verträge mit dem entsprechenden Aufwand der Aushandlung, und wollen vor allem auch die Gewähr haben, dass sich der Dienstleister um Ersatz kümmert, sollte der zunächst beauftragte Freiberufler ausfallen oder garnicht erst den Dienst antreten.

Die Kehrseite ist, dass dieses Weiterverkaufen ziemlich intransparent ist. Ich weiß, wieviel ich bekomme (das steht natürlich in meinem Vertrag drin) aber meistens weiß ich nicht, jedenfalls nicht offiziell oder von vornherein, was der Kunden meinem Dienstleister eigentlich für mich zahlt. Die Kollegen haben dazu unterschiedliche Meinungen, die einen sagen, kann mir ja auch egal sein, Hauptsache ich kriege das, was ich verlangt habe. Andere finden eine zu große Marge unanständig und ärgern sich. Ich finde, Neid ist nicht angebracht, aber ich finde es dennoch nicht völlig egal, weil ich mir sage, was der Kunde für eine Leistung erwartet, hängt ja vielleicht auch davon ab, zu welchem Preis er mich einkauft.

Meine Hauptquellen für Aufträge sind Xing, Emails und ein klein wenig GULP. Auf Xing und GULP unterhalte ich seit meinem Start, auf Xing (vormals ObenBC) schon davor, ein Profil mit einem kostenlosen Account. Bei GULP hatte ich anfangs die kostenpflichtige “Membership”, die aber kaum einen Mehrwert bringt. Auch bei Xing denke ich, die kostenpflichtige Mitgliedschaft lohnt sich nur für Vermittler wegen der Suchfunktion. GULP hat im Lauf der Zeit sein Geschäftsmodell ziemlich geändert. Früher waren sie eine offene Freiberuflerdatenbank, bei der sich im Grunde Nachfrager und Anbieter auf neutralem Boden getroffen haben. Dann haben sie aber erkannt, dass man mit dem Weiterverkaufen von Freieruflern ja im Vergleich zu den kümmerlichen Web-Nutzungs-/”Mitglieder”-gebühren Unsummen verdienen kann und sind ins Vermittlergeschäft eingestiegen. Danach haben sie ihre Datenbank für die Freiberufler weitgehend unbemerkt (abgesehen davon dass man sich gewundert hat, “hmm, sowas, über GULP kommt außer GULP selber überhaupt niemand mehr daher”) geschlossen und im Endeffekt nur noch für ihre eigene Vermittlung genutzt, und vor einiger Zeit haben sie sich dann dafür gefeiert, dass sie die Datenbank gegen satte Provisionen jetzt wieder anderen Vermittlern zugänglich machen.

Nun hat mich also heute mal wieder ein Mitarbeiter eines Vermittlers auf Xing angeschrieben so ala “Sie haben ja ein tolles Profil und ich habe passende Projekte, können wir mal telefonieren, damit ich Sie kennenlerne”.

Was ich darauf geantwortet habe, schreibe ich hier auch gerne öffentlich, da es vielleicht für Freiberufler und Vermittler gleichermaßen aufschlussreich sein kann.

“Hallo Herr XXX,

ich sehe, Sie sind relativ neu auf Xing, vielleicht auch neu im Geschäft. Ihr Profil ist ziemlich spartanisch. Überlegen Sie mal: ist das der Informationsgehalt eines Profils, den Sie sich von Ihren Kontakten wünschen? Kein Anhaltspunkt über die Länge der Berufserfahrung, Ausbildung, vorangegangene Tätigkeiten? Machen Sie doch Ihr Profil zu einem Muster, wie Sie es bei den von Ihnen vermittelten Fachkräften gerne hätten! Warum soll ich Vertrauen in jemand fassen, der sich alle Daten von mir wünscht, aber selber keine preisgibt?

Ein wichtiges Kriterium, das ich bei Vermittlern sehe, ist Effizienz. Warum soll ich unbezahlt mit einem Vermittler labern statt meine Zeit auf meine Kundenaufträge (und das nötige Maß an Verwaltungskram) zu konzentrieren? Für mich ist die Erstansprache schon ein Arbeitsbeweis. Natürlich wird in der Regel daraus nicht gleich ein Geschäft werden, aber Sie haben bereits genug Informationen über mich online, dass Sie nicht erst mit mir telefonieren müssen, um zu wissen was ich kann. Daher würde ich erwarten, dass Sie mir gleich ein Projekt vorstellen, das nach Ihrer Überzeugung zu mir passt. “Ihr Profil ist geradezu maßgeschneidert für die Bedürfnisse meiner Kunden.” das ist abstraktes Blabla, was Sie unverändert in jede Kontaktaufnahme copy&pasten können. Beweisen Sie es! Wenn Sie Kunden mit Bedürfnissen haben, auf die ich (Ihrer Meinung nach) passe, so die Behauptung, liefern Sie die erste Projektanfrage gleich mit! Daran sehe ich, dass es Ihnen ernst ist, dass Sie Zeit aufgewendet haben, mein Profil zu sichten, zu verstehen, und dass Sie sich auskennen und mir dafür etwas zumindest halbwegs passendes raussuchen können. Das ist Ihr Job, dafür erhält VERMITTLER (von denen mich übrigens im Lauf der Jahre sicher schon mindestens fünf verschiedene Leute angeschrieben haben) dann während der Laufzeit des Auftrags seine Marge. Wer mir da mit “Sie sind der ideale SAP-Berater für FI/CO, hier Projekt asap in Braunschweig” daherkommt, wenn ich im Profil stehen habe “ich bin IT-Security-Berater, suche im Raum München und bin ab 07/2016 verfügbar” den kann ich getrost als Loser abhaken. Der hat nur nach Keywords gesucht, und die Profile garnicht gelesen sondern seinen Text einfach an alle Matches rausgeblasen, so einer nützt mir nichts. Aber warum soll ich jemanden, der das Risiko garnicht erst eingeht, und mir stattdessen nur einen Serienbrief schickt, höher wertschätzen?

Ich hoffe meine Antwort hilft Ihnen. Dann war es die Zeit wert - für mich, sie zu schreiben und für Sie, sie zu lesen.

Mit fruendlichen Grüßen, Karl Ewald”

Dem einen oder anderen mag so eine Reaktion undankbar oder boshaft vorkommen. So ist sie jedenfalls nicht gemeint. Allein dass ich mir die Zeit nehme, eine Antwort zu schreiben, ist ein Zeichen von Wertschätzung, der Herr war aus München, hat damit schon mal den Heimbonus (mir ist ein Vermittler lieber, den ich persönlich kennengelernt habe, und nicht bloß am Telefon oder über Bekannte - da weiß man nie, welche Interessen noch mitschwingen), und wenn er tatsächlich Berufsanfänger ist, wie es den Anschein hatte, dann ist er vielleicht noch formbar. ;)

Bei meinem derzeitigen Hauptkunden ist ein Angestellter, der sich mit dem Gedanken trägt (oder vielleicht dem ich den Gedanken gesät habe) sich selbständig zu machen. Vielleicht wird aus diesem Blog auch eine Ressource für angehende IT-Freiberufler, mal sehen.