Heute ist “Tag der Aktie”, eine Aktion, die die Frankfurter Börse seit einigen Jahren zusammen mit einer Handvoll Direktbanken veranstaltet. Ein konkreter Inhalt ist, dass man DAX-Aktien und einige ETFs gebührenfrei kaufen kann, aber natürlich geht es auch darum, für die Aktie als Anlageform Werbung zu machen und Aufmerksamkeit zu schaffen.

Und ich meine, das ist dringend notwendig. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Deutschen Aktieninstituts weist für Deutschland knapp 9 Millionen Aktienanleger aus, das sind nur 14% der Bevölkerung ab 14 Jahren. Und das schließt Anleger in Aktienfonds und Mischfonds ein, direkt Aktien halten knapp 4,4 Millionen und davon sind gut 800000 reine Belegschaftsaktionäre, die also Aktien ihres Arbeitgebers halten und sonst keine.

Ein Depot mit Aktien sollte so selbstverständlich sein wie ein Sparbuch!

Warum Aktien?

Inflationsgeschützter Sachwert

Aktien sind Sachwerte, sie verkörpern einen Anteil an einem Unternehmen, das mit dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen Geld verdient. Daher sind sie im Grunde automatisch inflationsgeschützt. Wenn der Euro nur die Hälfte wert wäre, dann wären die Zahlen bei gleicher Produktion eben doppelt so hoch, sowohl beim Umsatz als auch bei den Kosten, also auch beim Gewinn. Und damit wäre im ansonsten gleichen Umfeld auch der Kurs der Aktie der doppelte. Wenn man dagegen eine Anleihe kauft, dann bekommt man einen festgelegten Zins, und am Ende der Laufzeit genau den Euro-Betrag zurück, den man am Anfang eingezahlt hat - egal wie sehr die Preise inzwischen durch Inflation gestiegen sind.

Liquidität

Das gilt nicht für alle Aktien, aber sicher für die in der oben genannten Aktion begünstigten DAX-Werte, oder allgemein für sogenannte “Blue Chips”, Aktien großer namhafter Unternehmen: sie werden täglich, ja im Tagesverlauf fortwährend in hohen Stückzahlen an den Börsen gehandelt. Man muss sich also keine Sorgen machen, die Aktie wieder zu Geld machen zu können. Freilich ist der Kurs, also der Preis der jeweiligen Aktien, großen Schwankungen unterworfen. Aber das gilt für andere Wertpapiere auch. Gerade in der derzeitigen Niedrig- bis Nullzinsphase ist das Risiko für Anleihen sehr groß: Angenommen man kauft jetzt eine Staatsanleihe, die 1% pro Zahr Zins bringt und 15 Jahre läuft, und in 3 Jahren ist das Zinsniveau wieder bei 4%. Dann wird ein Käufer, der eine neue Anleihe mit 4% Zinsen bekommt, für diese 1% Anleihe mit dann noch 12 Jahren Laufzeit näherungsweise auch nur das zahlen, was ihm für die restliche Laufzeit 4% Zinsen bringt, also zahlt er nicht den Nennwert sondern nur 100% - 12×(4-1)% = 64% des Nennwerts. Als Verkäufer steht man also mit Zinseinnahmen von 3×1% und einem Kursverlust von -36%, also einem Ergebnis von -33% ganz schön blöd da.

Natürlich kann man es aussitzen bis zum Fälligkeitstag, aber genauso kann man eine Rezession mit Aktien aussitzen – wenn man auf große, robuste Unternehmen gesetzt hat, die davon nicht Pleite gehen. Siehe dazu die Statistik in der oben verlinkten Studie des Aktieninstituts: mit längerer Haltedauer wurde jede Aktienanlage zum Gewinn.

Teilhabe am Produktivkapital

Nicht jeder von uns kann Unternehmer sein. Vielen ist es lieber, als Angestellter ein festes monatliches Einkommen zu haben, oder sie haben auch nicht das Talent dazu, ein Geschäft aufzubauen und zu führen. Unsere Gesellschaft würde ohne Angestellte nicht funktionieren, aber sie würde auch ohne Unternehmer nicht funktionieren, die das Wagnis eingehen, Geld in die Hand zu nehmen, ein Unternehmen zu gründen oder weiterzuentwickeln, Gebäude anzumieten oder zu bauen, darin Arbeitsplätze zu schaffen und ihren Angestellten ein monatliches Gehalt zu versprechen. Ab einer gewissen Größe kann ein einzelner so etwas nicht mehr allein finanzieren, und so entstehen Gesellschaften, bei entsprechender Größe oft Aktiengesellschaften. Als Aktionäre sind wir Teilhaber an einem Unternehmen, ohne uns selber um dessen Führung direkt kümmern zu müssen.

Teilhabe am Betriebsergebnis

Das wirtschaftlichen Ergebnis kommt uns als Aktionär auf zwei Arten zugute: einen Teil des Gewinns schüttet das Unternehmen als Dividende aus, die landet also auf unserem Konto wie der Zins auf eine Geldanlage. Ein Unternehmen sollte aber in der Regel nicht den gesamten Gewinn ausschütten. Die Welt entwickelt sich weiter, und so bleibt ein Unternehmen auf Dauer auch nur erfolgreich, wenn es sich an Veränderungen anpasst. Wie das aussieht, hängt vom Einzelfall ab, aber in der Regel erfordert es Investitionen und Aufwand in Forschung und Entwicklung. Außerdem sollte man immer etwas für schlechte Zeiten zurückbehalten. Aber für den Aktionär ist der nicht ausgeschüttete Teil nicht verloren: Er schlägt sich in einer Steigerung des Unternehmenswertes und damit des Aktienkurses nieder, die Aktien steigen also (über die Inflation hinaus) im Wert. Natürlich geht das auch in die andere Richtung. Eine negative Dividende (also die Pflicht, dass der Aktionär pro Aktie einen Betrag einzahlen muss) kann es nicht geben, aber die Aktie kann im Wert sinken, schlimmstenfalls wertlos werden. Deshalb ist es wichtig, beim Kauf von Aktien zu schauen, ob das Unternehmen denn überhaupt Gewinn macht, und wie die Prognosen der Analysten für die Folgejahre sind.

Einfluss auf die Unternehmen

Aktionäre sind Miteigentümer, sie haben daher verschiedene Rechte, unter anderem ein Rede- und Auskunftsrecht auf der Hauptversammlung. Es mag abstrakt klingen, aber durch gezielte Fragen und Kommentare kann man durchaus die Meinung der anwesenden Aktionäre oder Stimmrechtsvertreter beeinflussen und so auch auf die Unternehmensführung einwirken. Zum Beispiel indem man fragt, welche Risikovorsorge für mögliche Imageschäden durch moralisch zweifelhafte Geschäfte getroffen wird, oder ob es für den Vorstand eine Rolle spielt, wenn Rohstoffe mittels Umweltzerstörung oder Landraub von Einheimischen gewonnen werden.

Aktie oder Fonds?

Inzwischen bin ich überzeugt von der Anlage in Einzelaktien. Fonds sind für Einsteiger sicher nicht schlecht, sie bieten schon bei geringen Summen eine Streuung über zahlreiche Unternehmen, Branchen und/oder Regionen, und haben den Vorteil, dass man damit auch Sparpläne machen kann. Sparpläne profitieren vom Cost-Average Effekt: Wenn man z.B. monatlich 100 EUR anlegt, dann wird bei geringerem Wert des Anteils eine größere Zahl Anteile gekauft, so dass der Gewinn bei einer Erholung entsprechend größer ausfällt. Der Kauf von Fonds kostet in der Regel keine feste, sondern nur eine prozentuale Gebühr, was bei geringen Beträgen vorteilhaft ist. Für 100 EUR Aktien zu kaufen, wenn 10 EUR Gebühren gleich mal anfallen, ist dagegen schlecht. 20% (beim Verkauf kostets ja auch wieder) verdienen zu müssen, bevor ein Gewinn herausschaut, verdirbt die Chancen nämlich ziemlich.

Aber Statistiken zeigen, dass viele Manager von Fonds kein besseres Ergebnis erzielen als ein vergleichbarer Index. Dennoch fallen zusätzliche Verwaltungskosten an. Je nach Bank und Depotmodell kann es zu einer Vergütung einzelner Kostenbestandteile kommen, am häufigsten ist ein Rabatt auf den Ausgabeaufschlag, aber aus dem Fondsvermögen werden auch laufende Verwaltungskosten entnommen, die zum Teil als Vertriebsfolgeprovision an die Depotbank ausgeschüttet werden. Das ist ein Grund, warum Banken oft mit Prämien oder Vergünstigungen werben, wenn man Fondsanteile in ihr Depot überträgt. Und diese Kosten müssen erst mal verdient werden, bevor man als Anleger einen Gewinn sieht.

Außerdem sind Fonds ja immer ein Aktienpaket. Man nimmt also an einem gewachsenen Aktienpaket teil, dessen Bestandteile zum jeweiligen Kaufzeitpunkt mutmaßlich eine gute Wahl waren, das der Fondsmanager aber heute nicht unbedingt wieder genau so zusammenstellen würde. Und wenn man verkauft, verkauft man automatisch ein Scheibchen von allen enthaltenen Werten.

Bei der Anlage in Einzelaktien kann man dagegen jedesmal wenn Geld angelegt werden soll, sich die momentan attraktivste Aktie heraussuchen, und beim Verkauf die verkaufen, die gerade einen glänzenden Lauf hinter sich hat und daher gerade eher “teuer” erscheint. Aufgrund der Kosten sollte eine Transaktion besser mindestens 1000 EUR umfassen, dann sind 10 EUR Transaktionskosten etwa 1%, damit kann man leben. Es lohnt sich, die Depotbank danach auszusuchen, dass das Kostenmodell zu den erwarteten Ordergrößen am besten passt.

Kriterien für Aktien

Es gibt zahlreiche Strategien, ein Depot zusammenzustellen. Ich halte den Value-Ansatz für ziemlich überzeugend. Dabei wird die Dividendenrendite betrachtet, also die Höhe der Jahresdividende im Verhältnis zum aktuellen Aktienkurs. Das kann man als Äquivalent zur Verzinsung einer Anleihe sehen, wobei natürlich die Dividende Jahr für Jahr neu vom Unternehmen festgelegt wird, und auch sinken oder sogar ausfallen kann. Wenn der Kurs einer Aktie zurückgeht, steigt bei unverändert erwarteter Dividende die Dividendenrendite, eine ohnehin hohe Dividendenrendite führt daher zu einem stabileren, nach unten abgesicherten Kurs.

Aber die Ausschüttung ist nur ein Teil der Gewinnverwendung, daher schaue ich mir daneben auch das KGV an, das den gesamten Ertrag des Unternehmens, ob ausgeschüttet oder nicht, mit dem Kurs ins Verhältnis setzt. Es ist also der Kehrwert der Ertragskraft des Unternehmens. Beide Zahlen werden z.B. im comdirect Informer, einer großteils auch für Nichtkunden verfügbaren Datenbank, im Kopf des Einzeltitels ausgewiesen. Beispiel: wenn ich heute die Allianz anschaue, dann ist gerade als Kurs 171,20 EUR, als KGVe 10,707 und als DIVe 4,73% ausgewiesen. “e” steht für erwartet/expected, Grundlage ist also das laufende Geschäftsjahr, auf Basis der Prognosen. Das kann sich auch noch ändern! Die Dividende entspricht also bezogen auf den aktuellen Kurs voraussichtlich zu einer “Verzinsung” von 4,73%, die Ertragskraft des Unternehmens liegt aber bei voraussichtlich 1/10,707 = 9,34%. Man kann davon ausgehen, dass der nicht ausgeschüttete Teil dazu führt, dass sich der Unternehmenswert und damit der Aktienkurs nach oben entwickelt. Unternehmen reduzieren auch ungern die Dividende, da das von den Anlegern als Warnsignal verstanden wird, und in der Regel zu einem Rücksetzer im Aktienkurs führt. Mit dem Polster zwischen den ausgeschütteten 4,73% und den erwirtschafteten 9,34% ist die Gefahr für so eine Maßnahme gering.

Eine niedriger Dividendenrendite und ein hohes KGV deutet dagegen darauf hin, dass die Aktie bezogen auf das laufende Geschäft sehr hoch bewertet ist. Dies ist bei Technologiewerten oft der Fall, denen Großes in der Zukunft zugetraut wird, entsprechend anfällig ist der Kurs für schlechte Nachrichten, die gleich zu massiven Verlusten führen können.

Umgekehrt kann eine hohe Dividendenrendite und ein niedriges KGV auf ein hohes erwartetes Risiko in der Zukunft hindeuten. Beispielsweise hat Lufthansa ein KGVe von unter 7, also eine erwartete Ertragskraft von über 14%, aber wenn man sich die Jahresergebnisse der vergangenen Jahre anschaut, sieht man, dass mal viel, mal garnichts verdient wurde, und auch die Dividende öfter ganz ausgefallen ist, der erwartete Gewinn ist also mit einer hohen Unsicherheit behaftet.

Die höchsten Dividenden im DAX bieten momentan:

Aktie akt. Kurs DIVe KGVe (=Ertragskraft)
ProSieben Sat1 Media AG 39,29 5,38% 15,07 (6,63%)
Daimler AG 71,40 5,07% 7,95 (14,28%)
Münchener Rückvers. AG 179,25 4,93% 11,78 (8,49%)
Allianz SE 171,35 4,73% 10,707 (9,34%)

Handeln und Limitieren

Beim Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren kann man Limits setzen, also beim Kauf den höchsten Preis, den man bereit ist zu zahlen, und beim Verkauf den niedrigsten, für den man gewillt ist zu verkaufen. Kein Limit zu setzen nennt man “Market Order”, sprich man will zu dem jeweils herrschenden Marktpreis handeln. Aktienkurse unterliegen nicht nur von Tag zu Tag, sondern auch im Tagesverlauf, ständig Schwankungen. Sei es dass ein Unternehmen eine Nachricht bringt, aus der dann auch oft gleich auf die ganze Branche geschlossen wird, sei es, dass es Konjunkturnachrichten gibt: Prognose des Wachstums, neue Arbeitslosenzahlen, oder natürlich wie gestern Abend eine Zinsänderung in USA. Vor einem Jahr war noch gezittert worden, eine Zinsanhebung würde die Märkte fürchterlich belasten, heute herrscht die Meinung vor, die weitere Zinsanhebung deutet auf eine robuste Wirtschaftslage hin, und ist daher ein gutes Zeichen (was ich schon damals plausibler gefunden hatte, und bis festverzinsliche wieder eine Anlagealternative darstellen, müssen die Zinsen weitere ein bis zwei Prozentpunkte hochgehen – da ist noch lange hin). Für uns bedeutet sie zusätzlich, dass der Dollar attraktiver und damit teurer wird im Vergleich zum Euro, damit erhöht sich der Umsatz aus Exporten, für die Dollarpreise vereinbart wurden. So drehen sich die Ansichten. Dass Wilders in den Niederlanden schwach abgeschnitten hat, ist auch beruhigend. Daher haben wir es heute mit steigenden Kursen zu tun, die Frage ist, was davon von Dauer ist und was nicht. Politische Ereignisse sind normalerweise nur ein kurzes Zucken, und dann pendelt es sich wieder ein, wenn man davon ausgeht, dass die Niederlande-Begeisterung heute eine Rolle spielt, dann wäre heute also nicht der ideale Tag zum Kaufen.

Ich bin überzeugt davon, dass es besser ist, Limits zu setzen. Die Gefahr bei einem zu knappen Limit besteht darin, dass man eine Aktie dann nicht kauft, weil sie zu einem Höhenflug ansetzt, und das gesetzte Limit dauerhaft hinter sich lässt. Gerade bei einem Höhenflug wäre man doch gerne dabei, oder? Ob ein Sprung nach oben der Beginn einer steilen Aufwärtsbewegung ist oder ein kurzer Ausschlag, sieht man aber immer erst hinterher. Und viel häufiger ist der Kurs von Aktien tatsächlich ein Auf und Ab innerhalb gewisser Grenzen, die sich nur nach und nach verschieben. Das zeigt fast jeder Intraday-Chart. Da kann ein knapp gesetztes Limit durchaus ein Prozent oder mehr herausholen, und “im Einkauf liegt der Gewinn” gilt auch beim Aktienhandel.

Und ist eine verpasste Gelegenheit schlimm? Entgangener Gewinn ist kein tatsächlicher Schaden (wenn ich jeder Aktie nachtrauern würde, die gestiegen ist, ohne dass ich sie im Depot hatte, wäre das sehr albern) und die nächste Gelegenheit kommt bestimmt, das sehe ich inzwischen recht entspannt.

Daimler und Münchner Rück habe ich schon, drum hab ich heute mal Kauforders für ProSiebenSat1 mit Limit 39,05 und Allianz mit Limit 170,10 eingestellt. Medien habe ich bisher immer gemieden, da tut mir ein Titel aus dieser Branche vielleicht ganz gut. Momentan sieht es so aus, als wäre ich etwas zu knausrig gewesen, allerdings sind Allianz von (Frankfurt) Eröffnung 170,75 und Hoch 171,99 schon auf 170,71 zurückgekommen, und PSM hatten ihr Tief bisher bei 39,20. Kann also noch was werden.

Update (23.03.):

Allianz hat noch am gleichen Tag, dem 16.3. geklappt. Und gestern, am 22.3., wurden auch ProSiebenSat1 zu meinem Limit gekauft. Ich hatte garnicht damit gerechnet - ebenfalls gebührenfrei! Offenbar hat meine Depotbank, die comdirect, das Datum der Order als Kriterium genommen. Sehr erfreulich!